Ausbildung für die Zukunft
11. November 2021

„Ich habe mir nicht vorgestellt, dass es in der Schule möglich ist, mit solchen Maschinen zu arbeiten“, sagt Lars. Er ist Schüler an der Kaufmännischen Schule Geislingen und macht eine Ausbildung zum Industriekaufmann. Eine Mitschülerin beschäftigt sich mit der Digitalisierung für das Bewerbungsmanagement ihrer Firma. Anna Lena Heilig unterrichtet diese Auszubildenden in Betriebswirtschaftslehre und empfing mit ihnen am Dienstagabend prominenten Besuch im Klassenzimmer, um den offiziellen Start der sogenannten Lernfabrik Wirtschaft 4.0 zu feiern.

 

Es ist die erste in ganz Baden-Württemberg. Ziel ist es, Auszubildende optimal auf eine neue, digitalisierte Arbeitswelt vorzubereiten: Schüler lernen an realen Fertigungsstraßen Automatisierung, Steuerung und Programmierung. So könnten Schülerinnen und Schüler bereits in der Ausbildung wichtige digitale Kompetenzen erlangen, erläutert Ilse Messerschmid, Leiterin der Gewerblichen Schule. Die Lehrkräfte seien für diese Art von Unterricht durch Weiterbildungen gut vorbereitet und hochmotiviert.

 

Ins Rollen gebracht haben das Projekt Jochen Schurr, Lehrer an der Gewerblichen Schule, und sein Kollege Michael Röhm von der Kaufmännischen Schule. Schurr führt in seiner Ansprache aus, dass man sich dafür lange mit der Struktur der Betriebe in Geislingen beschäftigt habe. Daraus folgte die Entscheidung: „Unsere Anlagen sehen ähnlich aus, also machen wir eine Lernfabrik.“ Dazu seien einzelnen Maschinen miteinander verkettet worden – natürlich unter Beachtung betriebswirtschaftlicher Bedingungen.

 

Als zentralen Baustein des Projekts bezeichnet Roland Rimbach, Leiter der Kaufmännischen Schule, „die geglückte Kooperation zwischen seiner und der Gewerblichen Schule. Diese Vernetzung ermögliche den angehenden Kaufleuten nun eine ganzheitliche Betrachtung: Sie rechnen jetzt mit echten Daten aus realen Maschinen und können unter anderem prüfen, wie lange die Produktion eines bestimmten Teils dauert.

 

Nicole Razavi, Ministerin für Landesentwicklung und Wohnen, würdigte die Lernfabrik als „landesweite Pionierleistung“ und Landrat Edgar Wolff hob hervor, dass „hier nicht nur technisch-gewerbliche Nachwuchskräfte den Umgang mit Robotern lernen, sondern auch kaufmännische Auszubildende von den Daten profitieren“.

 

Zur Eröffnung gibt es am Dienstag auch einen kleinen Einblick in die Praxis. Im CNC-Labor befördert zum Beispiel ein Materialroboter kleine Kisten. Dabei kann er Personen erkennen, die ihm im Weg stehen und ausweichen. Nur eine Tasche, die am falschen Ort steht, sorgt kurz für eine Störung. ,„Hier ist jetzt der Faktor Mensch das Problem“, merkt ein Beobachter schmunzelnd an. Im gegenüberliegenden SPS-Labor stellen Auszubildende derweil den Ablauf einer Anlage dar, lesen deren Pläne und ergänzen sie. Nur bei richtiger Lösung startet die Anlage.

 

Wie wichtig das Thema Digitalisierung bei der Ausbildung ist, lässt sich aus einem Praxisbericht von Lars Schoch, Geschäftsführer des gleichnamigen Herstellers von Edelstahl-Teilen in Hausach, regelrecht spüren: „Wir sind der Transformation ausgesetzt“, betont er. Dies sei spannend, aber auch mit Gefahren verbunden. Als Beispiel für den Wandel, nennt er die Schallplatte, die Mitte der 1980er Jahre mit der CD von einer anderen Technologie abgelöst wurde. Doch dann folgte schließlich auch noch Spotify – ein digitales Musik-Abo. „Viele in Baden-Württemberg werden mal einem solchen Schicksal ausgesetzt sein“, so Schochs Einschätzung. „Aber wir sollten in keine Schockstarre verfallen. Der Markt wird halt komplett umgedreht.“

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Förderung für die „Lernfabrik Wirtschaft 4.0“

Das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau des Landes fördert  die Einrichtung von  „Lernfabriken Wirtschaft 4.0“ an beruflichen Schulen mit 170 000 Euro, damit Fach- und Nachwuchskräfte auf die Anforderungen in der Industrie vorbereitet werden. Darüber hinaus gab es für das Geislinger Projekt 177 000 Euro vom Schulträger, dem Kreis Göppingen sowie insgesamt 33 000 Euro von Unternehmen aus der Region. Die Gesamtkosten belaufen sich auf 380 000 Euro.

 

Bis Ende 2022 sollen 37 Lernfabriken an beruflichen Schulen realisiert werden. Die Landesförderung liegt bei 11,5 Millionen Euro. Mehr als 600 Unternehmen und Wirtschaftsorganisationen wollen dieses Vorhaben inhaltlich und finanziell unterstützen.

 

 

 

 

Bild und Text: Brigitte Scheiffele (GZ)

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