Vorsicht, Fettnäpfchen: Großer Ansturm auf Knigge-Kurs
12. Mai 2015

Welches Besteck wird für welchen Gang verwendet? Knigge-Lehrerin Elisabeth Brosowski erklärt, die Azubis hören aufmerksam zu.

Foto: Claudia Burst

Chefs stöhnen über unbeholfene Lehrlinge, die sind unsicher oder genervt. Die Kaufmännische Schule in Geislingen reagierte und bot zwei Knigge-Kurse an. Das Fazit der Teilnehmer: anstrengend, aber gut.

Das Benehmen junger Menschen im privaten sowie im beruflichen Bereich lässt oft zu wünschen übrig. Das merken Lehrer etwa daran, dass sie von ihren Schülern morgens nicht mehr gegrüßt werden. Viele solcher Beispiele gibt es auch im beruflichen Umfeld. Michael Röhm, Lehrer an der Kaufmännischen Schule im Berufsschulzentrum Geislingen, zitiert einen Unternehmer, der Anfang des Jahres mit diesen Worten bei ihm anrief: „Unser Weihnachtsessen war ein Massaker. Wann bieten Sie den versprochenen Knigge-Kurs an?“

In größeren Städten werden solche Kurse von der Industrie- und Handelskammer angeboten, weiß Schulleiter Roland Rimbach. Weil es diese Möglichkeit in Geislingen jedoch nicht gibt, hat er selbst die Initiative ergriffen und im Herbst beim Eltern- und Ausbilderabend nachgefragt, ob Interesse an Knigge-Kursen besteht. Das tat es: Die Unternehmen meldeten so viele Azubi an, dass die Kaufmännische Schule gleich zwei Kurse anbieten musste, um die Nachfrage befriedigen zu können. Beide waren mit je 22 Teilnehmern fast überbelegt. Die Kurse unterstützte der Förderverein der Schule.

Knigge-Vermittlerin war Elisabeth Brosowski aus Göppingen, die sonst Führungskräfte und Mitarbeiter in erfolgreicher Kommunikation und in modernen Umgangsformen unterweist. Sie schaffte es mit ihrer dynamischen, aber unaufgeregten Art innerhalb von Minuten, aus zum Teil gelangweilten Jugendlichen aufmerksame und motivierte Zuhörer zu machen. Mit unterschiedlicher Körpersprache etwa veranschaulichte sie, dass der erste Eindruck bereits nach drei Sekunden Wirkung zeigt. Noch bevor überhaupt etwas geredet wird. „Es sind die kleinen Dinge, auf die es ankommt“, machte sie begreiflich, „und die können wir steuern, wenn wir uns ihrer bewusst sind.“

Zur unbewussten Wirkung auf andere gehöre auch Kleidung, erklärte sie. Wer sich an anderen – etwa an Kollegen – orientiert, mache es meist gefühlsmäßig richtig. An sich selbst demonstrierte Brosowski die Wirkung unpassender Kleidung: Zu weit, zu eng, bauchfrei – an der Reaktion und den Aussagen der Jungen und Mädchen war schnell festzustellen, dass sie instinktiv erkannten, warum das eine passte, das andere jedoch überhaupt nicht.

Der Parcours zur Vermeidung von Fettnäpfchen war damit noch lange nicht zu Ende. Die Schüler erarbeiteten sich in Rollenspielen den richtigen Umgang mit Vorgesetzten oder Kunden. Wer grüßt wen zuerst, wer gibt die Hand, wer wird wem wie vorgestellt? Was ist Hierarchie, worauf muss ich dabei achten?

Und wie funktioniert Small-Talk? Dass die kleinen Gespräche über Wetter und Co. für die zwischenmenschliche Atmosphäre ausgesprochen wichtig sind, erläuterte die Expertin genauso wie deren Technik: „Reagieren Sie aufs Gesagte und schließen Sie Ihre Antwort immer mit einer Frage ab, auf die Ihr Gesprächspartner mit Sätzen antworten muss – aber nicht mit Ja oder Nein.“

Elisabeth Brosowski vermittelte sämtliche Inhalte humorvoll und nachvollziehbar eingepackt in berufliche Alltagssituationen, die die Jugendlichen in ähnlicher Weise bereits erlebt hatten oder sich vorstellen konnten. Egal, ob es sich um Telefongespräche mit Kunden handelte oder das Essen mit dem Chef in einem vornehmen Lokal. Welches Besteck ist für welchen Gang, wie wird die Serviette benutzt? Muss ich dem Gegenüber zuprosten, wie sitze ich richtig? Die Chance, Fehler zu machen, schien unendlich. „Puh, stressig“, meinte dann auch mal einer der Jungs, als Elisabeth Brosowski erklärte, wie das Besteck richtig gehalten wird.

Die 19-jährige Ada Ketboga, Albwerk-Azubi im ersten Lehrjahr, jedoch fasste zusammen, was vermutlich die meisten dachten: „Wenn man sieht, wie sich Frau Brosowski präsentiert, will man das auch können. Hier habe ich den Eindruck: Das kann ich auch lernen. Ich finde vor allem diese Rollenspiele gut, der Nachmittag gefällt mir.“

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