Schüler bringen Flüchtlingskindern Flötespielen bei
2. Mai 2016

Acht Stunden Unterricht liegen bereits hinter Fabienne Schweizer und Alexander Holtmann. Trotzdem geben die beiden 18-jährigen Schüler der Kaufmännischen Schule Geislingen nun noch  begeistert und mit viel Elan Flüchtlingskindern Flötenunterricht.

Fabienne und Alexander erklären die Noten, die Kinder machen konzentriert mit.

Auf ein paar Rhythmusübungen folgt das gemeinsame Spiel: Fabienne gibt mit Klanghölzern den Takt an, während ihr Mitschüler Alexander die Kinder motiviert und ihnen Tipps gibt.

Zweimal in der Woche findet der Blockflötenkurs in zwei Gruppen im Berufschulzentrum statt; neun Schüler des Wirtschaftsgymnasiums (WG) leiten ihn, rund 20 Kinder der benachbarten Flüchtlingsunterkunft nehmen regelmäßig teil.

Der Musikunterricht ist Teil eines umfassenden Angebots für die Kinder aus Asylbewerberfamilien. Roland Rimbach, der Leiter der Kaufmännischen Schule, und die Lehrerin Veronika Jagja beschäftigten sich im vergangenen Jahr mit der Frage, wie die neuen Nachbarn gut aufgenommen und gleichzeitig in die Gesellschaft integriert werden können. Im Herbst gab es bereits einen Deutschkurs für Erwachsene und Jugendliche mit Lehrern der Schule, und speziell für Flüchtlingskinder startete Veronika Jagja mit ihrer Klasse der WS2 ein einmonatiges Projekt mit Basteln, Spielen und Filmegucken. Obwohl das Projekt mittlerweile beendet ist, öffnen die Schüler der Wirtschaftsschule gelegentlich ein Spielmobil für die Flüchtlingskinder. Zudem erklärten Schüler des Kurses Global Studies am WG Flüchtlingen in einer Präsentation, wie man in Deutschland lebt.

Wieso aber nun Blockflötenunterricht? Sportliche Betätigung sei für die Kinder dank des Spielplatzes an der Gemeinschaftsunterkunft kein Problem, erklärt Schulleiter Rimbach. Doch zur musikalischen Entfaltung fehlte bisher jede Möglichkeit. Schnell war ihm und Veronika Jagja klar, dass diese Lücke geschlossen werden muss, da die musikalische Erziehung im Kindesalter wichtig ist und das Musizieren unabhängig von Sprache oder Umgebung funktioniert.

Da sich viele Schüler dazu bereit erklärten, einen Kurs zu übernehmen und der Förderverein der Kaufmännischen Schule für alle Kursteilnehmer Blockflöten organisierte, sei die Umsetzung der Idee leichter gewesen als gedacht, erklärt Roland Rimbach. Der Förderverein wurde von der Kreissparkasse Göppingen unterstützt, die es sich zum Ziel gesetzt hat, soziale Projekte in der Umgebung zu fördern.

Die Kursteilnehmer haben noch keine oder nur wenige Erfahrungen mit Instrumenten gesammelt – deshalb ging es in der Startphase erst einmal darum, ihnen das Notenlesen beizubringen. Obwohl Deutsch nicht die Muttersprache der Kinder ist, verstehen sie die Sprache schon sehr gut, erklären die Kursleiter. Die Voraussetzung ist aber, langsam und deutlich zu sprechen. Schwäbisch ist dabei fehl am Platz. Verständigungsprobleme gebe es vor allem seit der Aufteilung in zwei Gruppen nicht mehr, sagt Fabienne: „Sie sind immer sehr konzentriert bei der Sache.“ Alexander ist die Integration der jungen Menschen sehr wichtig, wobei ihm das Unterrichten auch großen Spaß macht. Zu wissen, dass er etwas Gutes getan hat, macht ihn nach jeder Kursstunde aufs Neue stolz. Zu den Aufgaben als Kursleiter gehöre nicht nur das Musizieren an sich, sondern auch das Vorspielen von Stücken und das Erklären der Noten. „Besonders wichtig ist der beständige Lernprozess“, erläutert er.

Auch die 18-jährige Sabrina Gairing gibt Flötenunterricht. „Mir macht es Spaß, mit Kindern zu arbeiten und zu wissen, dass man sich gleichzeitig für eine gute Sache einsetzt“, sagt sie. Obwohl sie die Aufgabe manchmal als anstrengend empfindet, freut sie sich darüber, den Kindern Dinge beibringen zu können, die sie noch nicht kannten. Besonders große Freude macht es ihr, dass die Kinder sehr interessiert sind und die Arbeit, die die Schüler ehrenamtlich für sie aufbringen, zu schätzen wissen.

Text: Leonie Konrad

Foto: Veronika Jagja

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