KSG engagiert sich für Flüchtlinge
15. Dezember 2015

Die quietschbunte Knete ist der Renner. Längst sind Lehrerin Vera Rautenberg die Vorräte ausgegangen. „Die Kinder lieben es, damit zu basteln“, sagt sie lächelnd.

Die Kinder, das sind an diesem Tag rund 40 Jungen und Mädchen aus Flüchtlingsfamilien, die in der Wölkhalle oder in den Containern neben dem Geislinger Berufsschulzentrum leben. Seit ein paar Wochen dürfen sie jeden Donnerstagnachmittag zum Spielen, Basteln und Tanzen in den Aufenthaltsraum der Kaufmännischen Schule kommen. Dort warten als Betreuer die 29 Schüler der Klassenstufe 2 der Wirtschaftsschule auf sie.

Zu ihnen gehört die 16-jährige Selvi. Mit großen Augen beobachtet eine Gruppe Mädchen und Jungen im Grundschulalter, wie sie ein Klümpchen Knete zwischen ihren Fingern rollt und daraus einen Teddybär formt. „Es ist so süß mit den Kindern“, sagt die Schülerin begeistert. „Und das ist so schön, wenn sie lachen.“ Auch wenn oft die gemeinsame Sprache fehlt: Selvi und die Kinder verstehen sich auch so; die Kleinen ahmen einfach nach, was die 16-Jährige ihnen geduldig vormacht. Der zwölfjährige Jacob Alsyed findet die Aktion der Wirtschaftsschüler toll. „Es ist sehr gut hier“, sagt der Syrer und hebt breit grinsend den Daumen.

Für Schulleiter Roland Rimbach und Lehrerin Veronika Jagja ist die Donnerstagsbetreuung Ausdruck dafür, dass an der Kaufmännischen Schule Kollegen wie Schülern die Unterstützung der Flüchtlinge am Herzen liegt. „Was auf unserem Schild steht, hat sich bewährt“, sagt Rimbach und bezieht sich auf den Titel, den die Schule trägt: „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“.

Natürlich hätten die Ereignisse rund um die Geislinger Flüchtlinge alle drei Schulen im Berufsschulzentrum überrollt, sagt Rimbach, und sicher habe es am Anfang Bedenken gegeben, ob sich die Flüchtlingsunterbringung in der Wölkhalle und nun in Containern auf dem Sportplatz mit dem Schulalltag vereinbaren lässt. Doch dank einer Vereinbarung mit Heimleiter Werner Rizmann über die Nutzung des Geländes leide das Schulleben nicht unter der Gemeinschaftsunterbringung. „Die Schüler gehen entspannt mit der Situation um, und von Elternseite kommt viel Verständnis und Erleichterung, dass alles seinen gewohnten Gang geht“, erklärt Rimbach.

Ein großes Glück sei es gewesen, dass man in den Sommerferien Zeit für die Vorbereitungen gehabt habe. Die Gespräche mit den Verantwortlichen des Landratsamtes bezeichnet Rimbach als sehr gut und konstruktiv, „da muss man alle Beteiligten loben“. Dank der Bereitschaft der Gemeinde Kuchen sei es sogar möglich gewesen, den kompletten Sportunterricht in die dortige Ankenhalle zu verlegen – so gehe keine Stunde verloren.

Dass die Kaufmännische Schule nun Projekte für und mit den Flüchtlingen plant, ist für Roland Rimbach keine Frage: „Die Menschen sind nun eben hier, und wir wollen positiv damit umgehen. Ich sehe es auch als unsere gesellschaftliche Aufgabe als Schule an, sich um sie zu kümmern.“

Lehrerin Veronika Jagja ist der gleichen Auffassung – sie koordiniert zusätzlich zu ihren sonstigen Aufgaben die Aktionen der Lehrer und Schüler, weil es ihr „sehr viel Spaß“ macht, wie sie sagt. Los ging es mit einem Vortrag des Wölkhallen-Sozialbetreuers Hans-Joachim Schieck zur Flüchtlingssituation in Geislingen. Dazu kam die Donnerstagsbetreuung für die Flüchtlingskinder. Acht Lehrer wollen ab Januar einen Deutschkurs auch für jene anbieten, die diesen, aufgrund der geringen Chance, in Deutschland bleiben zu dürfen, sonst nicht bewilligt bekommen. Im Fach „Global Studies“ werden Schüler im kommenden Jahr Flüchtlingen erklären, wie die Deutschen leben und was typisch deutsch ist. Die auf Englisch gehaltene Präsentation war bisher schon Bestandteil des Unterrichts; dass die Schüler das Wesen der Deutschen nun nicht wie bislang ihren Mitschülern erklären werden, sondern Menschen, die hier tatsächlich auf eine fremde Kultur treffen, hält Veronika Jagja für eine Bereicherung. Wenn alles klappt, soll es bald auch ein Musikprojekt von Schülern für Kinder geben – dafür braucht die Schule aber noch eine Grundausstattung an Instrumenten. Und auch umgekehrt funktioniert der Wissenstransfer: Der Syrer Malak Yacoub unterrichtet seit ein paar Wochen deutsche Schüler und Lehrer in Arabisch. „Das Interesse daran ist groß“, sagt Veronika Jagja. Sie freut sich enorm, dass ihre Schützlinge sich so für die Flüchtlinge einbringen. „Wenn sie sehen, dass sie etwas Sinnvolles tun, dann machen sie gerne mit“, meint sie – und fügt mit einem Augenzwinkern hinzu: „Es wäre schön, wenn sie sich immer so engagieren würden.“

Text: Kathrin Bulling

Foto: Lisa Keller

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