4. April 2023
„Misch dich ein“ ist das diesjährige Motto der zweiwöchigen „Internationalen Wochen gegen Rassismus“ vom 19.3.-2.4.2023. Rassismus ist eine Herausforderung und allgegenwärtig. Und macht auch vor Schulen und Schülern keinen Halt. Als umso wichtiger sieht es die Kaufmännische Schule Geislingen an, nicht nur auf dem Papier als „Schule ohne Rassismus, Schule mit Courage“ zu gelten, sondern dem Rassismus aktiv die Stirn zu bieten. Mit Aufklärung und Bildung. Schulsozialarbeiterin Isabel Leibfarth, Lehrerin Sibel Tuncer und Lehrer Nicolai Klotzbücher suchten deshalb nach Möglichkeiten, das Thema für die Schüler greifbar zu machen. Heraus kam eine Aktionswoche, gespickt mit Projekten für alle Schüler. „Es wäre naiv und fernab jeglicher Realität, wenn wir behaupten würden, dass es keinen rassismus- und vorurteilsfreien Raum gibt. Den gibt es nicht und wird es auch niemals geben. Es ist aber wichtig, dass wir über diese Dinge sprechen, Vielfalt bewusst wahrnehmen und über unser Denken und Handeln reflektieren. Vor allem Schülerinnen und Schüler brauchen diesen Raum, sich frei zu äußern, Ängste und Bedürfnisse zu artikulieren, damit sie nicht von extremistischen Gruppierungen aufgefangen werden. Als Schule gehört das zu unserem Erziehungs- und Bildungsauftrag. Das ist anstrengend, aber für die Demokratiebildung unabdingbar.“ so Sibel Tuncer. Auch Schulleiter Roland Rimbach zeigte sich gleich aus zwei Gründen über den erfolgreichen Verlauf der Woche erfreut: „Zum einen finde ich es sehr bemerkenswert, wie drei Kolleginnen und Kollegen in Eigeninitiative ein derart vielfältiges und anspruchsvolles Programm auf die Beine stellen konnten. Andererseits ist es dann auch schön zu sehen, dass unsere Schülerinnen und Schüler diese hochkarätigen Angebote interessiert und engagiert aufgenommen haben.“
Theaterstück „Achtung“ und Vortrag von Konex
Für die Klassen der Wirtschaftsschule 1 und 2 und des Berufskolleg 1 der Kaufmännischen Schule Geislingen ging es dank der Organisation von Isabel Leibfarth zu Beginn der Woche gegen Rassismus nach nebenan in die Rätsche zur Theateraufführung „Achtung“. Das Drehbuch wurde unter Mithilfe des Polizeipräsidiums Ludwigsburg geschrieben und wird von Q-Rage umgesetzt mit Unterstützung von konex, dem Kompetenzzentrum gegen Extremismus in Baden-Württemberg. Hauptcharaktere sind Lina und Tarek, beste Freunde zwischen die eigentlich kein Blatt passt. Dann muss Lina umziehen und der räumlichen Trennung folgt auch eine ideologische. Beide geraten in falsche Kreise: Lina radikalisiert sich nach rechts, Tarek zum Salafismus. Bei ihrem späteren Aufeinandertreffen eskaliert die Situation. Das Theaterstück wird immer wieder bewusst von den Schauspielern unterbrochen, um Zwischenfragen zu stellen, auf Symbole hinzuweisen usw. Damit soll aufgezeigt werden, warum man in bestimmten Lebensphasen anfällig für extremistische Organisationen sein kann und wie die Bedürfnisse von Jugendlichen durch so genannte „Mentoren“ ausgenutzt werden können. In den zwei Folgetagen wurde das Theater in den Klassen nachbereitet.
Ebenfalls in dieser Woche besuchte Marc Layer vom Polizeipräsidium Ulm das Lehrerkollegium, um für das Thema Extremismus zu sensibilisieren. Dabei ging es vor allem um die auch im Theaterstück behandelten Bereiche Rechtsextremismus und Islamismus. Laut Layer verzeichnet die Polizei vor allem im Bereich Rechtsextremismus seit der Corona-Pandemie wieder einen deutlichen Anstieg der Straftaten, wobei auch immer häufiger Jugendliche in den Fokus der Anwerber geraten. Gerade Social Media und die Gaming-Szene seien schwer einsehbare Tummelplätze für Rekrutierer und stellen damit eine große, aber oft unterschätzte Gefahr dar.
Workshops zu Verschwörungstheorien
Circa 15 Mal im Monat halten die Mitglieder von MeX der Landeszentrale für politische Bildung ihre Workshops an Schulen in Baden-Württemberg ab. Alleine das zeigt den großen Bedarf an Aufklärung und Sensibilisierung unter Jugendlichen. Dieses Jahr waren auf Einladung von Sibel Tuncer zwei Teams an der Kaufmännischen Schule Geislingen zu Gast und arbeiteten mit den 11. Klassen des Wirtschaftsgymnasiums. Im Mittelpunkt steht dabei laut den Referenten die Entwicklung einer Ambiguitätstoleranz: Darunter versteht man das Aushalten von Widersprüchen, kulturellen Unterschieden oder mehrdeutigen Informationen ohne darauf aggressiv zu reagieren. Denn dort setzen Verschwörungstheoretiker an. Wo früher der Grundsatz galt „Wir sind uns zwar in der Sache nicht einig, aber im Umgang miteinander fair“, hat die angebliche Anonymität des Internets zu einer Verrohung der Umgangsformen und einer Abnahme an Toleranz geführt. Der Workshop dauert sechs Schulstunden und ist in verschiedene Module aufgeteilt. Zu Beginn wurden die Schüler für die Komplexität der Welt in der wir leben, die bei vielen Leuten zu Verunsicherung oder dem Gefühl der Ohnmacht führen, sensibilisiert. Ebendiese Unsicherheit machen sich Verschwörungstheoretiker zunutze, um die Menschen für sich und ihren „Glauben“ zu gewinnen. Im zweiten Teil wurden typische Merkmale von Verschwörungstheorien herausgearbeitet und es wurde diskutiert, was solche angeblichen Theorien für ihre Anhänger attraktiv macht. Besonders weit verbreitet sind aktuell Verschwörungstheorien zum Ukraine-Krieg, nach wie vor zur Corona-Pandemie und auch weiterhin über Juden. Im letzten Teil wurden die Folgen von Verschwörungstheorien auf Betroffene und die Gesellschaft besprochen und Handlungsmöglichkeiten gegen Verschwörungstheorien erörtert. Dabei ging es vor allem um Online-Plattformen. So sollten an diesem Tag auch die Medienkompetenz, Zivilcourage und die Handlungsfähigkeit der Schüler gestärkt werden.
Besuch von Juandalynn Abernathy
Martin Luther King ist jedem ein Begriff. Er prägte den Slogan „I have a dream“ und ist der bekannteste Vertreter des Civil Rights Movements, der afroamerikanischen Bürgerrechtsbewegung. Was nur wenige wissen, ist, dass seine Patentochter Juandalynn Abernathy in Baden-Württemberg lebt und als Zeitzeugin der US-amerikanischen Freiheitsbewegung auch in Schulen von ihren Erlebnissen berichtet. In diesem Zusammenhang war sie auf Einladung von Lehrer Nicolai Klotzbücher in den Klassen des Berufskolleg 2 und Berufskolleg FH zu Gast. Bei ihrem Vortrag ging es sowohl um ihre Erlebnisse als afroamerikanisches Kind in den USA, als auch um ihren Patenonkel Martin Luther King und den Rassismus, den sie in Deutschland erlebte und erlebt. „Onkel Martin“ sei nach wie vor für sie präsent und sie verehre ihn sehr, so Abernathy nach einem den Schülern gezeigten Video seiner Rede. Sie ist in der „Black lives matter“ – Bewegung aktiv und engagiert sich dafür, dass die Rechte von Schwarzen auch rechtsstaatlich gewährleistet werden. Nach dem Vortrag gab es Raum für Gespräche und Fragen. Abernathy schloss mit einem Appell an die junge Generation: „Ihr seid die besten und wichtigsten Botschafter gegen Rassismus. Tragt eure Botschaften nach draußen und seid dabei couragiert und hartnäckig.“ Nicht Hautfarbe, Aussehen, Herkunft, Religionszugehörigkeit, Geschlecht oder sexuelle Orientierung seien wichtig, sondern menschliche Werte wie Toleranz und Nächstenliebe.
Weltethos – Ausstellung zu den Weltreligionen
Zwei Wochen bis zu den Osterferien konnten die Schüler im Foyer die Ausstellung der Stiftung Weltethos zu den Weltreligionen besuchen. Die Ausstellung besteht aus 16 Tafeln, die sich mit acht Religionen und ihren ethischen Botschaften beschäftigen. Außerdem werden Werte wie Menschlichkeit, Gewaltlosigkeit oder Nachhaltigkeit thematisiert. So sollen die Schüler die Welt der Religionen besser kennenlernen und ihre aktuelle Relevanz besser verstehen. Auf den Plakaten sind auch QR-Codes zu verlinkten Videos angegeben, in denen beispielsweise Religionsvertreter zu Themen Stellung nehmen. Die Schulsozialarbeiterin Isabel Leibfarth hatte dieses Projekt organisiert und zieht ein positives Fazit: „So konnten sich die Schüler quasi im Vorbeigehen jeden Tag informieren und ihre Kenntnisse über anderen Religionen erweitern. Wissen fördert Toleranz.“